Liebe Leser*innen des Inklusionsnewsletters,
das neue Coronavirus COVID-19 hält derzeit die ganze Welt in Atem. Kaum eine Nachrichtensendung ohne Neuigkeiten hierzu, kaum ein Thema, das nicht damit verknüpft wird. In Deutschland und in vielen anderen Ländern erleben wir derzeit Veränderungen unseres Alltags in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Mein besonderes Augenmerk gilt dabei auch den Menschen mit Behinderungen, den Menschen mit Vorerkrankungen, der sogenannten Risikogruppe – die es in allen Altersgruppen gibt.
In dieser Woche haben Bundestag und Bundesrat ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedet, das auch soziale Dienstleister absichert, die im Gegensatz zu Unternehmen keine großen Rücklagen bilden dürfen. Ich begrüße dies ausdrücklich, denn nichts wäre schlimmer, als wenn diese Einrichtungen Insolvenz anmelden müssten: Frühförderstellen, Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtungen oder auch Werkstätten für behinderte Menschen. Bislang nicht berücksichtigt wurden jedoch zum Beispiel Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Sie arbeiten derzeit unter massiv erschwerten Bedingungen und haben deutliche Mehrbelastungen durch Sach- und Personalkosten - denn die Bewohner*innen sind nun den ganzen Tag zu Hause und auf medizinische und soziale Betreuung angewiesen. In den meisten Fällen kommt noch der Mangel an Schutzausrüstung hinzu – und das obwohl viele der Bewohner*innen nicht selten zur Risikogruppe gehören. Diese Wohneinrichtungen profitieren derzeit nicht von den verabschiedeten Maßnahmen und das muss sich dringend ändern. Denn bereits jetzt ist absehbar, dass es dort zu Gesundheitsgefährdungen und Schlimmerem kommen kann.
Hinzu kommen viele weitere Probleme – die Hilferufe von Wohlfahrtsverbänden, Fachverbänden und auch Selbstvertretungsorganisationen sind in dieser Woche bereits deutlich zu hören gewesen. So ist zum Beispiel die medizinische Versorgung von Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen – die auch in Zeiten außerhalb einer Pandemie nicht so zugänglich ist, wie sie sein müsste – nicht gesichert. Die Krankenhäuser sind überlastet und oft nicht barrierefrei.
Die gesamte Situation stellt die Bundesregierung und die Landesregierungen, alle staatlichen Akteure und uns alle als Gesellschaft vor nie gekannte Herausforderungen. Zahlreiche Entscheidungen, von denen wir nicht geahnt hätten, dass sie jemals zur Debatte stehen, müssen nun getroffen werden. Wir sind ein lernendes System. Alles muss sorgfältig abgewogen und immer wieder neu hinterfragt werden, es gibt keine endgültigen oder alternativlosen Antworten. Außer der unumstößlichen Prämisse, dass bei allen Gesetzen, Verordnungen und Plänen immer die Menschenrechte handlungsleitend sein müssen. Und zwar die von allen Menschen. Dazu gehört auch, dass die Selbstvertretungsorganisationen der Menschen mit Behinderungen aktiv und verbindlich in Entscheidungen mit eingebunden werden. Sie können sicher sein, auch mein Team und ich werden die Bundesregierung immer wieder auf Probleme aufmerksam machen und uns für Veränderungen einsetzen.
Meine Hoffnung ist, dass wir trotz der schwierigen Zeit und der Ungewissheit auch Gutes in die Zeit nach dieser Krise mitnehmen können. Lichtblicke gibt es bereits jetzt: So haben die Bundesregierung sowie zahlreiche Bundes- und Landesministerien – nach einem kleinen Anstoß von mehreren Seiten - damit begonnen, barrierefreier zu kommunizieren: Also mit Live-Gebärdensprachdolmetscher*innen und in Leichter Sprache. Das darf natürlich in der Zeit nach COVID-19 nicht aufhören und auch dafür werde ich weiterhin werben.
Wo auch immer Sie sind: Halten Sie durch und bleiben Sie gesund.
Ihr
Jürgen Dusel
Beauftragter der Bundesregierung
für die Belange von
Menschen mit Behinderungen