Medizinische Versorgung für alle!
Datum 01.07.2019
Liebe Leser*innen des Inklusionsnewsletters,
jede*r von Ihnen war schon einmal in ärztlicher Behandlung, entweder in einer Praxis oder in einem Krankenhaus. Und ich bin mir sicher: Jede*r von Ihnen hat schon einmal Erfahrungen gemacht, die nicht ganz einfach waren. Sei es aufgrund der Schwere der Krankheit oder der Verletzung, oder aber auch, weil Sie schlichtweg keinen Termin bekamen, lange warten mussten oder Sie nicht gut informiert wurden. Wir alle kennen die Diskussionen um unser Gesundheitssystem, die mangelnde Versorgung mit Haus- und auch Fachärzten auf dem Land, die fehlende Barrierefreiheit in zahlreichen Arztpraxen, die Situation in den Krankenhäusern, unter denen Ärzt*innen, Pflegepersonal und Patient*innen oftmals leiden.
Für viele Menschen mit Behinderungen ist die medizinische Versorgung nicht in gleichem Maße gewährleistet wie für Menschen ohne Behinderungen. Das ist nicht nur ungerecht. Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Daher fordere ich eine Verpflichtung zur Barrierefreiheit für private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Zudem haben die kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen den Auftrag, die ambulante Versorgung aller gesetzlich Versicherten, gleich ob mit oder ohne Behinderungen, sicherzustellen. Hier sehe ich noch viel Potential für Verbesserungen, zum Beispiel, wenn es um die ambulante oder stationäre Versorgung von Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen geht.
Dabei ist mir noch ein weiterer Punkt besonders wichtig: Bislang können Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder mit mehrfachen Behinderungen ihre dringend benötigte Assistenz häufig nicht als Unterstützung mit ins Krankenhaus nehmen. Der Grund: Die Kostenübernahme ist nur für einen Bruchteil der Fälle gesetzlich geregelt. Die Folgen können gravierend sein: So wurde ein Fall an mich herangetragen, bei dem ein Krankenhaus die Behandlung eines Mannes zunächst ablehnte – weil die Begleitperson fehlte, ohne die unter anderem eine Kommunikation mit dem Patienten kaum möglich war. Auch die MDR-Sendung exakt berichtete am 17. April 2019 darüber. Zu solchen oder ähnlichen Fällen darf es nicht kommen – diese Regelungslücke muss dringend geschlossen werden!
Mir ist besonders wichtig, beim Thema Inklusion auch die Menschen einzubeziehen, die nicht die Chance haben, ihre Interessen selbst zu vertreten und die häufig übersehen werden. Deswegen habe ich auch die Reihe „Alle dabei – gemeinsam unterwegs“ gestartet. Im weiteren Verlauf des Jahres werden mein Team und ich an verschiedenen Stationen in ganz Deutschland unterwegs sein – auch um vor Ort mehr darüber zu erfahren, wie die UN-BRK in ihrem zehnten Jahr in Deutschland umgesetzt wird. Mehr können Sie unten in diesem Newsletter unter „Tourbeginn“ lesen.
Trotz dieses schweren Themas: Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Sommer- und Urlaubszeit! Sollten Sie sie in Brandenburg verbringen, habe ich noch einen Veranstaltungstipp für Sie: Am 6. Juli präsentieren wir in Zehdenick gemeinsam mit dem „Traumschüff“ das Theaterstück „Hinter den Fenstern“. Auch dort spielt das Thema medizinische Versorgung auf dem Land eine Rolle. Informationen hierzu finden Sie ebenfalls unten.
Herzlich grüßt Sie
Ihr
Jürgen Dusel
Beauftragter der Bundesregierung
für die Belange von
Menschen mit Behinderungen
Barrierefrei mit dem Traumschüff: Uraufführung von „Hinter den Fenstern“
Theater in Zehdenick und Podiumsdiskussion
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Tourbeginn: „Alle dabei – gemeinsam unterwegs“
Letzte Woche Freitag startete Jürgen Dusel mit seiner Tour „Alle dabei – gemeinsam unterwegs“ in Norddeutschland. Dort standen zwei Themen auf der Tagesordnung: Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen am Arbeitsmarkt und die Versorgung von Obdachlosen mit psychischen Beeinträchtigungen. Dazu standen mehrere Termine an, begleitet wurde Jürgen Dusel vom Landesbehindertenbeauftragten Joachim Steinbrück (Bremen) und der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen, Ingrid Körner (Hamburg).
Die erste Station war die „Gemüsewerft“ in Bremen: Ein sogenannter Zuverdienstbetrieb, der Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen die Möglichkeit eines niedrigschwelligen Zugangs zu strukturierter Beschäftigung mit geringer Stundenanzahl bietet. Jürgen Dusel sprach dort mit Geschäftsführer und Mitarbeitenden unter anderem über Probleme und Herausforderungen ihres Arbeitsalltags.
Am Nachmittag ging es weiter mit einem Fachgespräch zum Thema „Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt“. Teilnehmende waren unter anderem hochrangige Vertreter*innen der Arbeitsagentur, des Jobcenters und der Deutschen Rentenversicherung, von Eingliederungsfachdiensten und Beschäftigungsförderungsgesellschaften, sowie wirtschaftsnahen Bildungsträgern. Im Zentrum des Gesprächs standen auch zwei Rehabilitanden, die über ihre Erfahrungen berichteten und deutlich machten, was ihnen für eine gelungene (Wieder)-Eingliederung in das Arbeitsleben wichtig sei.
Am Abend besuchte Dusel dann die Hamburger Caritas in der Seewartenstraße. Dort lernte er eine Einrichtung kennen, in der Obdachlose medizinisch versorgt werden. Ein besonderer Schwerpunkt der Caritas ist auch die Begleitung von Obdachlosen mit psychischen Beeinträchtigungen. Diese werden beispielsweise über aufsuchende Hilfen betreut, in Begleitung von speziell ausgebildeten Sozialarbeitern und Therapeuten. Insgesamt wurde die prekäre Lebenssituation, in der die meisten Obdachlosen sind, mehr als deutlich - von der Wohnungssituation bis hin zur medizinischen Betreuung. Auch die Arbeit von Einrichtungen wie die der Caritas ist in den letzten Jahren komplizierter geworden, insbesondere durch die steigende Anzahl von Obdachlosen und die prekäre Rechtslage der betroffenen Personen.
Jürgen Dusel wird im weiteren Verlauf des Jahres in verschiedenen Regionen Deutschlands unterwegs sein, um auf die Bereiche zu schauen, die häufig übersehen werden und mit Menschen sprechen, die häufig nicht gehört werden. Ziel ist es, mit Hilfe von Expert*innen und Betroffenen den Blick auf einige Themen zu lenken, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht. Die Ergebnisse und Erfahrungen werden zum Ende des Jahres gebündelt zu „Teilhabe-Empfehlungen“ des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen an die Bundesregierung.
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Finissage "CRAZY - Leben mit psychischen Erkrankungen"
Die letzte Kulturveranstaltung im Kleisthaus vor der Sommerpause war am 17. Juni 2019 die Finissage zu "CRAZY - Leben mit psychischen Erkrankungen" und Manic VR (Virtual Reality) der Künstlerin Kalina Bertin.
Zusammen mit Iris Hauth - Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der Fotografin Nora Klein und der Autorin Jana Hauschild diskutierte Jürgen Dusel auf dem Podium die Bedürfnisse und Herausforderungen von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und ihren Angehörigen. Die Fotografin Nora Klein zeigte zudem Bilder aus ihrem Buch „Mal gut, mehr schlecht." In ihrem Vortrag ging sie auf die Lebenssituation von Menschen mit Depressionen ein.
Hinter diesem Link finden Sie einen Artikel zur Vernissage von "CRAZY"
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12. Staatenkonferenz in New York
Vom 11. Juni bis zum 13. Juni findet in New York die 12. Vertragsstaatenkonferenz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention statt. Jürgen Dusel ist gemeinsam mit der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales Kerstin Griese als Teil der Delegation aus Deutschland vor Ort. Ziel der Konferenz ist der internationale Austausch der einzelnen Vertragsstaaten der UN-BRK. Das Thema lautet in diesem Jahr „Ensuring inclusion of persons with disabilities in a changing world through the implementation of the CRPD“. Schwerpunkte sind unter anderem die Themen Digitalisierung, Soziale Inklusion sowie Inklusion in Kultur und Sport. Neben der Konferenz gibt es sogenannte „Side-Events“, bilaterale Gespräche sowie Gespräche mit Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen.
Jürgen Dusel sagte zu Beginn der Konferenz: „In einer globalisierten Welt darf es nicht nur um Handels- und Wirtschaftspolitik gehen, genauso wichtig ist das gemeinsame Handeln und der Austausch bei sozialen Themen. Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir in der deutschen Außenpolitik noch offensiver die Werte der UN-Behindertenrechtskonvention kommunizieren. Insbesondere würde ich mir mehr Engagement wünschen, zum Beispiel, dass wir konkrete Projekte initiieren und unterstützen. Wir können von anderen Staaten noch viel lernen. Ich erhoffe mir viel spannenden Input auf der Staatenkonferenz.“
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Gespräch mit Bundesminister Horst Seehofer
Gestern traf Jürgen Dusel den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer. In dem Gespräch wies der Beauftragte unter anderem darauf hin, wie wichtig es im Digitalisierungsprozess sei, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. Insbesondere die öffentliche Hand sei in der Pflicht, die digitale Barrierefreiheit bei aktuellen und geplanten Angeboten zu berücksichtigen. Ein weiteres Thema war barrierefreies Bauen.
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Jahresempfang 2019: „Deutschland wird beim Thema Inklusion nacharbeiten müssen“
Letzten Donnerstag fand der zweite Jahresempfang des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, statt. Es nahmen über 400 Gäste aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft teil - unter ihnen Vertreterinnen und Vertreter von Behindertenverbänden und Selbstvertretungsorganisationen, sowie Mitglieder des Bundestags.
Festredner*innen waren die Juristin und Professorin für Recht und Disability Studies, Theresia Degener sowie Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler. Die Veranstaltung stand auch im Zeichen des 10-jährigen Jubiläums der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland und der anstehenden Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Jürgen Dusel betonte in seiner Eröffnung, dass Inklusion in Deutschland noch lange keine Selbstverständlichkeit sei - auch wenn sich schon viel bewegt habe. „Im Jahr des Jubiläums der UN-BRK zeigt sich, dass Menschen mit Behinderungen noch immer häufig mit zahlreichen Hürden kämpfen müssen. Sei es bei der steuerlichen Gleichstellung oder auch bei der Suche nach bezahlbarem barrierefreiem Wohnraum,“ führte Dusel aus. Ein wichtiges Thema sei auch die medizinische Versorgung von Menschen mit schweren Behinderungen und hohem Unterstützungsbedarf. So gebe es bei der Kostenübernahme von Assistenz im Krankenhaus eine gesetzliche Regelungslücke zu Lasten der betroffenen Menschen. Diese führe im schlimmsten Fall dazu, dass Menschen trotz schwerwiegender gesundheitlicher Probleme nicht behandelt werden könnten. Das sei eines modernen Sozialstaats im 21. Jahrhundert nicht würdig. „Deutschland wird in diesem Jahr von der Staatengemeinschaft zum zweiten Mal auf den Inklusions-Prüfstand gestellt. Und ich kann jetzt schon sagen: Wir werden sicher an einigen Stellen nacharbeiten müssen. Denn bei der Inklusion geht es um die Umsetzung fundamentaler Grundrechte,“ so Dusel abschließend.
Vizekanzler Scholz ging auf die Forderung nach einer Erhöhung des Pauschbetrags für behinderte Menschen im Einkommenssteuerrecht ein. Diese werde derzeit geprüft und brauche die Zustimmung der Länder. Er sprach zudem die Novelle des Wohngeldgesetzes an, die gestern im Kabinett beschlossen wurde. Darin solle der Freibetrag für Personen mit einer Schwerbehinderung deutlich erhöht werden.
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5. Mai: Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai forderte Jürgen Dusel die steuerliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. „Der Pauschalbetrag für Menschen mit Behinderungen im Einkommensteuerrecht ist seit 44 Jahren - seit 1975 - nicht erhöht worden,“ so Dusel in Berlin. Bei der Demo #MissionInklusion in Berlin ging er außerdem auf weitere Themen ein. So forderte er mehr barrierefreie und bezahlbare Wohnungen, mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen im politischen Betrieb und auch eine Verpflichtung zur Barrierefreiheit für private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind.
„Spätestens mit dem European Accessibility Act (EAA), der europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie, ist klar, dass sich Barrierefreiheit nicht nur auf den öffentlichen Sektor beziehen darf. Menschen mit Behinderungen wollen genauso ins Kino gehen können oder in die Arztpraxis kommen wie alle anderen auch. Sie haben ein selbstverständliches Recht darauf. Barrieren müssen auch im privaten Sektor abgebaut werden,“ so Jürgen Dusel.
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Pressemitteilung vom 6. Juni 2019: Hebammen mit ihrer Verantwortung nicht alleine lassen
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