Gesundheit – gute Versorgung für alle

Mehrere Personen im Gespräch in einem Behandlungszimmer. Einer davon im Rollstuhl.
Jürgen Dusel zu Gast im Medizinischen Zentrum für erwachsene Menschen mit komplexer Behinderung in Würzburg. Quelle: MZEB Würzburg

Ein gutes Gesundheitssystem ermöglicht allen den Zugang zu den medizinischen und therapeutischen Leistungen, die sie benötigen. In der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verpflichten sich die Vertragsstaaten, Menschen mit Behinderungen eine ortsnahe gesundheitliche Versorgung in derselben Bandbreite und von derselben Qualität zu garantieren wie Menschen ohne Behinderungen. Zusätzlich sollen sie die Leistungen der gesundheitlichen Versorgung erhalten, die sie wegen ihrer Behinderung benötigen. Für viele Menschen mit Behinderungen jedoch gilt dies leider noch nicht.

Barrierefreie ärztliche und zahnärztliche Praxen

Alle Versicherten in Deutschland haben ein Recht auf freie Arztwahl. Für Menschen mit Behinderungen stößt dieser Grundsatz jedoch schnell an Grenzen, denn: Die meisten Praxen sind nicht barrierefrei. Das ist eine Tatsache, mit deren Folgen tagtäglich zahlreiche Menschen mit Behinderungen umgehen müssen: Die erste Barriere ist in vielen Fällen schon die Internetseite, die nicht barrierefrei zugänglich ist. Hinzu kommen die baulichen Barrieren: Viele Ärzt*innen sind schlecht oder gar nicht erreichbar, weil es zum Beispiel keinen Fahrstuhl, keine taktilen Leitsysteme für Menschen mit Sehbehinderungen, keine Induktionsschleifen für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen oder keine Informationen in Leichter Sprache gibt.

Dies ist nicht hinnehmbar, auch weil sich die Barrierefreiheit ärztlicher Praxen aus dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen ergibt. Dieser bezieht sich auf alle gesetzlich Versicherten, also jene mit und ohne eine Behinderung. In § 17 Abs. 1 SGB I heißt es, die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass Sozialleistungen in barrierefreien Räumen erbracht werden. Diese Regelung ist bereits 16 Jahre alt. Umso erstaunlicher ist es, dass sie noch nicht flächendeckend zu barrierefreien Praxen geführt hat. Im SGB V heißt es dazu in § 2a, dass den besonderen Belangen von Menschen mit Behinderung Rechnung zu tragen ist. Auch die UN-BRK ist in diesem Punkt eindeutig, indem nach Artikel 9 die Zugänglichkeit medizinischer Einrichtungen explizit gewährleistet werden muss.

Assistenz im Krankenhaus

Ein Krankenhausaufenthalt kann für Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen eine extreme Belastungssituation darstellen. Dies gilt insbesondere für Menschen, die aufgrund kognitiver Einschränkungen nicht mit Worten kommunizieren können oder auf Ungewohntes mit Ängsten reagieren.

Aber auch für Menschen mit körperlichen Behinderungen, die zur Bewältigung Ihres Alltags Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX in Anspruch nehmen, ist ein Krankenhausaufenthalt ohne diese gewohnte Unterstützung kaum zu bewältigen. Denn das Krankenhauspersonal ist in der Regel nicht geschult für den Umgang mit Patienten mit spezifischen Behinderungen und steht zudem häufig unter hohem zeitlichem Druck. Der Assistenzbedarf endet jedoch nicht an der Krankenhaustür.

Jürgen Dusel hat sich dieses Themas zu Beginn seiner Amtszeit angenommen. In seinen Teilhabe-Empfehlungen forderte er, dass eine gesetzliche Lösung für die Frage der Kostenübernahme bei der Begleitung durch Assistenzkräfte ins Krankenhaus gefunden werden muss.

Die Bundesregierung legte nun zum Ende der Wahlperiode einen Vorschlag für ein Gesetz vor. Danach wird in bestimmten Fällen die Übernahme der Kosten bei Begleitung von Menschen mit Behinderungen ins Krankenhaus durch vertraute Bezugspersonen geregelt. Verabschiedet wird das Gesetz zum Ende der 19. Legislaturperiode. Bei Mitaufnahme von Begleitpersonen aus dem privaten Umfeld übernimmt die Gesetzliche Krankenversicherung die gegebenenfalls anfallenden Entgeltersatzleistungen (§44b SGB V). Bei Begleitung durch vertraute Mitarbeiter*innen der Eingliederungshilfe werden die Personalkosten von den für die Eingliederungshilfe zuständigen Trägern übernommen (§ 113 Abs. 6 SGB IX). Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass die zu begleitende Person grundsätzlich Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe hat. Die pflegerische Leistung bleibt weiterhin Aufgabe des Krankenhauspersonals. Die neuen Regelungen treten ein Jahr nach Verkündung des Gesetzes in Kraft.

Fazit:

Die Schaffung einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage war dringend nötig und längst überfällig. Ob die gefundene Kompromisslösung tatsächlich die Situation von Menschen mit Behinderungen in Krankenhäusern verbessern wird, und vor allem, ob sie auf andere Personengruppen und Leistungsbereiche auszuweiten ist, bleibt abzuwarten. Die Bundesministerien für Gesundheit sowie Arbeit und Soziales haben die Wirkung der Regelungen im Einvernehmen mit den Ländern zu evaluieren. Hierbei soll auch geprüft werden, ob es Regelungslücken in Bezug auf den erfassten Personenkreis gibt. Die Ergebnisse sind bis zum 31. Dezember 2025 zu veröffentlichen.  

Sicherstellung der medizinischen Versorgung für Erwachsene mit Behinderungen

Auch im Zugang zu einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung für alle zeigen sich die Werte einer Gesellschaft. Für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen gibt es daher seit 2015 Medizinische Behandlungszentren für erwachsene Menschen mit Behinderungen (MZEB).

MZEB arbeiten immer aufgrund einer Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss ihres Bundeslandes. Dieser muss eine Ermächtigung erteilen, soweit und solange das MZEB benötigt wird, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Ist die Ermächtigung erteilt, sind Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen zu führen, bevor das Zentrum seine Arbeit aufnehmen kann. Dieser Prozess kann je nach Bundesland Monate bis Jahre dauern. Von einer bundesweiten und flächendeckenden Versorgung mit MZEB sind wir weit entfernt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zulassungsausschüsse lehnen Anträge ab mit der Begründung, es gebe keinen Bedarf; Vergütungsverhandlungen werden an Bedingungen geknüpft, die ein wirtschaftliches Arbeiten eines MZEB fast unmöglich machen – zum Beispiel wenn die Kriterien, wer behandelt werden darf, so eng formuliert werden, dass die meisten Patient*innen abgewiesen werden müssen oder Bewohner*innen in Einrichtungen des gleichen Trägers gleich ganz ausgeschlossen oder zahlenmäßig begrenzt werden. Trotz der eindeutigen Formulierung im Gesetz wird manchen MZEB das eigentliche Behandeln vertraglich untersagt und sie werden auf Diagnostik und eine Lotsenfunktion reduziert. Diese Fehlentwicklungen müssen dringend korrigiert werden.

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